Die Situation ist eigentlich ideal: Die Zinsen sind historisch niedrig, alternative risikolose Finanzanlagen scheinen nicht rentabel und der Wunsch nach den eigenen vier Wänden ist besonders in unserer Region hoch. Doch lohnt sich der Kauf oder der Bau einer Immobile tatsächlich für jeden? Die Antwort: Das hängt vom Standort und viel von der persönlichen Zukunftsplanung ab.
Es kommt auf den Standort an
Richtige Entscheidungen treffen beim Kauf oder Verkauf einer Immobilie

Ralf Schilling ist seit über 20 Jahren in der Baufinanzierung und Immobilienvermittlung tätig. Seit 2009 ist der Vermittlungsspezialist bei der Volksbank Bad Saulgau tätig und kennt den Immobilienmarkt in der Region. Im Interview berichtet er über seine Einschätzungen zur aktuellen Situation am Immobilienmarkt, über die Gefahr einer Immobilienblase und die eigenen vier Wände als Alterssicherung.
Die weiterhin anhaltende Niedrigzinspolitik lässt die Bauherren und auch die Immobilienkäufer seit Jahren jubeln. Lässt sich der Traum von den eigenen vier Wänden im Verhältnis zu früheren Jahren relativ kostengünstig verwirklichen. Es ist ein richtiger Boom am Immobilienmarkt, oder?
Die niedrigen Zinsen sind in der Tat ein großer Vorteil für alle, die in die eigene Immobilie investieren möchten. Hier sind die Zinsraten natürlich minimal im Vergleich zu früheren Jahren, in denen in absoluten Hochphasen ein zweistelliger Zinssatz erhoben wurde. Allerdings ist das Bild trügerisch. Denn die Kehrseite der niedrigen Zinsen ist, dass der Markt in den letzten Jahren leergefegt wurde – sowohl was Immobilien als auch Baugrundstücke in den Gemeinden betrifft. Viele haben den Moment genutzt und ihr verfügbares Kapital hier investiert. Deshalb haben wir im Moment einen so genannten Verkäufermarkt, der die Preise stetig nach oben drückt. Das ist die eine Kehrseite. Die andere ist: Den niedrigen Zinsen stehen im Moment höhere Baukosten entgegen, wodurch sich beim Bau der eigenen vier Wände der Vorteil der niedrigen Zinsen leider wieder ein wenig relativiert.
Kann man durch die hohen Marktpreise bereits von einer Immobilienblase sprechen, wie in verschiedenen Medien berichtet wird?
Von einer Immobilienblase kann man dann sprechen, wenn die Finanzierung auf wackeligen Füßen steht und ich meine Tilgungsraten inklusive Zinszahlungen nicht mehr bedienen kann. Dazu darf es sich nicht nur um einen Einzelfall handeln, es müssen viele Personen davon betroffen sein. Wenn solche Immobilien in einer großen Anzahl verkauft werden müssen und sich keine Käufer finden, dann sprechen wir von einer geplatzten Immobilienblase. Davon sind wir nach meiner Einschätzung hier in unserer Region weit entfernt. Zum einen sind die Immobilien- und Baupreise nicht sprunghaft, sondern kontinuierlich angestiegen. Dieser Umstand ist wichtig bei der Investitionsberechnung und dem Zins- und Tilgungsplan – sprich: für die Planbarkeit.
Zum anderen sind wir dem genossenschaftlichen Förderauftrag verpflichtet. Die Genossenschaftsbanken sind dazu verpflichtet, das wirtschaftliche Wohl ihrer Mitglieder zu fördern. In der Immobilien- und Baufinanzierungsberatung steht deshalb das Ziel ganz oben, dass aus dem Traum von den eigenen vier Wänden kein finanzieller Albtraum wird. Im Mittelpunkt steht hier die persönliche und direkte Beratung, die individuell aufzeigt, welche Investitionen in welcher Größenordnung machbar sind und welche Risiken über die meist lange Laufzeit auftreten können. Hier haben wir eine Vielzahl an Spezialisten und Fachleuten in unseren Filialen, die sich jeden Tag mit diesen Themen beschäftigen und entsprechend beraten. Deshalb sehe ich hier – für unsere Region und für unsere Mitglieder und Kunden gesprochen – im Moment keine Gefahr einer Immobilienblase.
Die eigenen vier Wände werden oft als die ideale Altersvorsorge angesehen. Stimmt das so?
Diese Aussage würde ich im Allgemeinen so unterschreiben. Denn Immobilien haben grundsätzlich eine langfristige Wertstabilität und sind daher gegenüber einer Inflation unempfindlich. Dazu kommt, dass im Alter keine Miete fällig wird. Neben dem Eigenheim ist auch die Investition in Immobilien als Kapitalanlage zur Alterssicherung sehr empfehlenswert. Als Stichwort möchte ich hier kurz die „Miet-Rente“ erwähnen. Das sehe ich als wirklichen Vorteil an.
Mit einer Immobilie als Alterssicherung kann man also nichts falsch machen?
Der alles entscheidende Faktor bei einer Immobilie ist ihr Standort. In den letzten Jahren stellten wir fest, dass viele ältere Menschen ihre Immobilie auf dem Land verkaufen und dafür in die Stadt ziehen. Oft war ihnen ihr Haus zu groß geworden und sie wollten nicht mehr so viel Arbeit mit ihrem Garten. Wer zum Beispiel im Alter das Reisen für sich entdeckt, der kann sich um ein großes Grundstück nicht mehr kümmern. Der Trend in die Stadt zu ziehen, setzt sich auch bei jungen Leuten fort. Sie möchten dort wohnen, wo sie ihr Leben mit ihrer Arbeit verbinden können. Das ist aus ihrer Sicht eben in den Städten in unserer Region bzw. in unseren regionalen „Ballungsgebieten“ gegeben. Mit anderen Worten: Wer dort eine Immobilie sein Eigen nennen kann, kann auch in Zukunft mit einem Werterhalt, wenn nicht sogar mit einer Wertsteigerung rechnen.
Das heißt auf der anderen Seite: Immobilien und die eigenen vier Wände auf dem Land sind nicht empfehlenswert?
Das stimmt so nicht. Vor allem Familien schätzen das Leben auf dem Land, das in unserer Region mit seinen oftmals intakten Vereinsstrukturen viele Möglichkeiten und Anknüpfungspunkte für Kinder und Eltern bietet. Daher ist es durchaus sinnvoll, auf dem Land in eine Immobilie zu investieren – vor allem, weil hier oft noch eine günstige Preisstruktur vorherrscht. Wer bei diesem Thema ohne eine emotionale Bindung entscheiden kann, sollte – wenn er das Thema Werterhaltung der Immobilie und spätere Veräußerungsmöglichkeiten mit in die Bewertung ein - bezieht – vor allem schauen, wie es um die Infrastruktur in der Gemeinde bestellt ist. Gibt es Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen? Ist vor Ort eine Einkaufsmöglichkeit oder ein Arzt? Wie ist die Verkehrsanbindung in die nächsten „Ballungsräume“ und zu größeren Arbeitgebern? Existiert ein öffentlicher Personennahverkehr? Wer diese Fragen in seine Entscheidung mit einbezieht, wird mit seiner Immobilie und die Familie mit der Immobilie mit Sicherheit glücklich.